Schüleraustausch der Realschule in der Glemsaue mit der polnischen Schule Edukacja

Abschiede sind am schlimmsten, in der Nacht davor. Wenn man schlaflos in seinem Bett liegt und mit leerem Blick ins Dunkel schaut mit nur einem Gedanken: dem kommenden Abschied. Ist es dann erst einmal so weit, hat man den meisten Schmerz bereits ertragen und weiß, was einen erwartet.

Man weint, man umarmt sich und klammert sich an den Gedanken eines möglichen Wiedersehens. Ähnliches hatte unsere Gruppe bereits beim letzten Abschied in Polen durchgemacht, doch war zu diesem Zeitpunkt ein Wiedersehen gewiss. Man fuhr mit dem Zug in der Sicherheit aus Toru? ab, all die in der Ferne verblassenden, immer noch zum Abschied Winkenden wiederzusehen. Wenn man die, von entstandener Freundschaft zeugenden Bilder, die man während der gemeinsamen Zeit oder noch schnell am Bahngleis  geschossen hatte, betrachtete, rief man sich in Erinnerung, „bald“ und das gab einem Hoffnung. Dem letzten Sehen am Zeitpunkt der Abfahrt, folgte eine Zeit des Wartens. Wir kehrten wieder in den Alltag zurück und führten eigentlich genau das Leben fort, das wir gewohnt waren. Dem nach etlichen Wiederholungen bereits fast rituellen Ablauf unserer Morgen, folgte der gewohnte Gang zur Schule, wo man sich aber jedes Mal, wenn man einen der Freunde sah, die einen in jener großartigen Woche in  Polen begleitet hatten, dieser erinnerte. Die Tage vergingen und das Wiedersehen rückte immer näher. Als es schließlich nur noch wenige Tage waren, verdichtete sich die Spannung erneut. Es war viel Zeit vergangen und man erinnerte sich alter Zweifel.  Als man dann endlich am Flughafen stand, die Hände in den Hosentaschen und nervös mit dem Fuß auf den Boden klopfend, war die Spannung kaum noch zu ertragen, doch als nach beinahe ewiger Wartezeit die komplette Gruppe unserer polnischer Freunde um die Ecke kam, die Griffe ihrer Rollis in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht, waren alle Bedenken wie weggefegt. Es galt nur noch die Tatsache, dass man sich endlich wieder sah. Lachend begrüßte jeder jeden und es fühlte sich sofort wieder an, wie in jener ersten gemeinsamen Woche. Trotz der beidseitigen Müdigkeit wurde auf dem Weg in das, für den Gastgeber wohl vertraute, den Gast jedoch völlig fremde Zuhause  viel geredet. Nachdem man am Vorabend erst so spät zur Ruhe gekommen war, war uns am ersten Aktionstag ein entspannter Morgen vergönnt. Erst vormittags trafen wir uns gemeinsam, um mit einem Ausflug in den  Hochseilgarten in die kommende Woche zu starten. Es war erstaunlich, wie vertraut wir uns, trotz der langen Trennung sofort wieder waren. Das Klettern war ein Spaß für alle, selbst für diejenigen, denen die Höhen nicht ganz geheuer waren. Auch Minigolf, ein Klassiker wenn es um Gemeinschaftsausflüge geht, war in das Tagesprogramm integriert. Die Freizeit in den Familien verlief bei jedem unterschiedlich. Auf wundersame Weise überschnitten sich viele Interessen der Paare, sodass das Freizeitprogramm eigentlich immer zu Gunsten beider verlief. Während die einen Freude am Musizieren empfanden, gingen andere Dingen wie Spazieren, Tratschen oder einfach dem Pilgern von Essensstand zu Essensstand in der Innenstadt nach. Was auch immer, man amüsierte sich köstlich. Und dann waren da ja auch noch die Partys. Die waren eine feine Sache. Es fand jeden Abend bei jeweils einem der Teilnehmer eine besagter Feiern statt. Meist wurde neben Musik und Sitzgelegenheit, auch noch ein bisschen was zum Knabbern geboten. Das waren jedoch Nebensächlichkeiten. Das Beste am täglichen Zusammenkommen war die Gesellschaft. Es wurde stets viel getanzt, gelacht und geredet, meist über die vorhergegangenen Aktionen. Da war beispielsweise die Wilhelma. Ja, das Betrachten von wild umherhüpfenden Affen, majestätischen Raubkatzen und pompösen Elefanten kann für allerlei Gesprächsstoff sorgen. Genauso wie unsere Wanderung auf die Burg Hohen Neuffen. Es mag zwar sein, dass Wandern nicht gerade zu den liebsten Beschäftigungen der Jugend des 21. Jahrhunderts gehört, zumindest was einige Fälle betrifft, doch eine Ritterburg, das war schon etwas. Nach einem abenteuerlichen Aufstieg konnte man nach Lust und Laune die verschiedenen Winkel der Burgruine erkunden und von Ihren Zinnen hinab in die Tiefe blicken. Gut traf sich, dass es einen burgeigenen Kiosk gab, an dem wir uns an diesem heißen Tag eine kleine Erfrischung in Form eines Eises oder kühlen Getränks gönnen konnte. Aber nicht bloß das Outdoor-Programm schlug ein. Ebenfalls die in der Schule durchgeführten Projekte hielten uns für die Länge ihrer Dauer bei Laune. Für die Forderung oder das Entdecken unserer teils offensichtlichen, teils noch verborgenen Talente war gesorgt. So entstanden zum Beispiel farbenfrohe „Street Art“ Kunstwerke als auch ein Klangspecktakel, dem Funk Song „Can‘t Stop The Feeling“ von Justin Timberlake nachempfunden. Die Musik weckte auch den Tänzer in jedem von uns, sodass dieses noch mit einstudierten Choreographien visuell ansprechend gemacht wurde. Selbst wer sich noch leicht sträubte, sollte sich spätestens bei der Disco freuen, nicht ganz ohne tänzerische Erfahrung dazustehen. Die Disco! Das waren magische Stunden. Stunden, in denen sich das Herz am Wummern des Basses orientierte und sich der Körper ganz der Musik hingab. Getränke und Snacks waren auch hier ausreichend vorhanden, sodass die Tanzenden sich bei Bedarf an der Bar regenerieren konnten. Obwohl nicht die ganze Nacht durch gefeiert worden war, klagte so manch einer am nächsten Morgen über Müdigkeit. Dem Morgen des letzten Tages. Da war es gut, dass Frau Hügle etwas vorbereitet hatte. Und zwar gab es, wie sollte es anders sein, Maultaschen. Allseits beliebt und typisch schwäbisch, sagte die Wahl so gut wie jedem zu. Nach einer kurzen Danksagung seitens Frau Hügles an die Organisatoren der polnischen Schule, der wir uns alle an dieser Stelle recht herzlich anschließen möchten, ließen wir uns die angereichte Köstlichkeit schmecken. Dem Hauptgang sollte ein Dessert folgen, jedoch nicht in der Schule. Stattdessen gingen wir in die Innenstadt, um dann im Café Maute einzutreten. Wir wurden auf direktem Weg hinter die Kulissen geführt und durften dort dem Konditormeister persönlich zur Hand gehen. Es entstanden grandiose Pralinen, originell zubereitet, fantastisch im Geschmack. Doch, es hätte wohl noch besser geschmeckt, hätte uns nicht das Wissen schwer im Bauch gelegen, dass diesem Tag der des Abschieds folgen würde. Und ehe man sich versah, war er auch schon gekommen. Am Abend hatte es noch eine Abschlussfeier gegeben, bei der wir alle anwesend waren und nachdem diese ausgeklungen war, waren alle schweren Herzens zu Bett gegangen. Nun standen wir alle am selben Flughafen, an dem wir vor sieben Tagen erwartungsvoll Ausschau gehalten hatten. Ähnliche Gedanken wie solche, die diesen Bericht einleiten, drängten sich in unsere Köpfe und allen wuchs ein Kloß im Hals. Es wurde viel geweint und jede Träne zeugte von unvergesslichen Tagen. Nach einer so unglaublichen Zeit bedanken wir uns bei allen, die durch ihr großartiges Engagement ihren Teil zum Gelingen des Austausches beitrugen.

Michael Arzt

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